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Der folgenschwere Fehlgriff des Giovanni Sammarco

Giovanni Sammarco war auf bestem Weg, Rechtsanwalt zu werden, als er seiner Freundin das falsche Parfum schenkte. Der Versuch, die Beziehung zu retten, scheiterte, und Sammarco liess sich parallel zur Doktorarbeit in Zivilrecht zum Parfumeur ausbilden. Seit drei Jahren entwickelt und produziert der 30-jährige Italiener seine eigenen Düfte in Herisau.

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: Maeva Rosset


Kontakt und weitere Informationen:
g.sammarco@tiferet.ch oder www.giovannisammarco.ch


Herr Sammarco, Sie haben in Norditalien Rechtswissenschaften studiert und arbeiten heute als Parfumeur in Herisau. Was ist da genau passiert?
GIOVANNI SAMMARCO: Wer kennt schon seine Motive… Bis kurz vor Abschluss des Master-Studiums an der Universität Urbino wusste ich nichts über die Parfumerie. Dann besuchte ich die internationale Parfummesse in Florenz und war so begeistert, dass ich parallel zur Doktorarbeit in Zivilrecht die Ausbildung zum Parfumeur absolvierte.

Es gab keinen Auslöser für Ihr plötzliches Interesse an Düften?
Doch, natürlich – wie in vielen Dingen hat die Liebe eine wichtige Rolle gespielt. Kurz vor dem Studienabschluss kaufte ich ein Parfum für meine damalige Freundin. Leider war sie mit meiner Wahl gar nicht zufrieden, und ich machte mich auf die Suche nach einem besseren, edleren Parfum. Ich kam ins Gespräch mit Parfumeuren und verstand allmählich, wie komplex und interessant das Zusammenspiel der einzelnen Duftnoten ist. So erwachte meine Liebe für die Duftkreation, während meine Beziehung leider in die Brüche ging. Ich entschied mich, Parfumeur zu werden und in die Schweiz zu ziehen.

Dafür hätten Sie nicht Rechtswissenschaften zu studieren brauchen.
Doch, das ist ganz hilfreich, denn die Produktion und der Export von Parfums ist – speziell in der EU – strikt reglementiert. Ansonsten machte ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber. Ich hängte meine Universitätsdiplome an die Wand und war glücklich, ein so interessantes Berufsfeld gefunden zu haben. Ich verzichtete auf Businessplan und Marktanalysen und beschäftigte mich mit praktischen Fragen: Wie finde ich die besten Rohmaterialien? Wie kreiere ich eigene, hochwertige Düfte? Welche Flaschen und Verpackungen passen zu meiner Marke und welche Händler kann ich als Kunden gewinnen?

Ist das nicht aussichtslos, als Einzelperson in diesem Markt zu bestehen? Jährlich kommen Hunderte neue Düfte auf den Markt, sogar Roger Federer ist gescheitert mit seinem Versuch, ein eigenes Parfum zu etablieren.
Es gibt zwei sehr verschiedene Märkte. Im Massenmarkt dominieren die grossen Marken wie Dior, Chanel, Calvin Klein oder Yves Saint Laurent. Daneben gibt es einen Nischenmarkt für Hersteller hochwertiger Parfums. Ich habe bisher vier Düfte kreiert und verkaufe von jedem rund 1000 Flaschen pro Jahr – nicht an Endkunden, sondern an Fachgeschäfte wie die Parfumerie Süskind in Zürich. Mit Händlern kommt man am besten an den zwei grossen Fachmessen in Mailand und Florenz in Kontakt. Manchmal kommen aber auch Einzelkunden auf mich zu und wünschen, dass ich für sie ein exklusives Parfum nach ihren individuellen Vorlieben entwickle.

Was kosten Ihre vier Parfums im Laden und was lassen sich Privatkunden die Kreation eines personalisierten Dufts kosten?
Die drei Parfums Vitrum, Bond-T und Ariel kosten 140 Franken pro 30-Milliliter-Flakon, der Duft Alter ist mit 160 Franken etwas teurer, weil dafür Extrakte von natürlichem Jasmin verwendet werden, was die Sache verteuert. Der Preis hängt stark davon ab, welche Ausgangsstoffe verwendet werden. Manche Basisdüfte kosten nur 10 Euro pro Kilo, andere wie Orris, der Duftstoff der Iris Florentina aus Italien, dagegen 86‘000 Euro, noch exklusivere Ingredienzien bis zu einer Million Euro pro Kilo. Wenn jemand einen exklusiven, persönlichen Duft mit mir entwickeln will, resultieren rasch Kosten von 10‘000 Franken. Man findet die ideale Kombination nie im ersten Anlauf, es braucht viel Geduld und Phantasie beim Auswählen und Kombinieren der Duftnoten.

Sie kreieren und produzieren nicht nur Düfte für Kunden in der Schweiz, Deutschland und Italien, sondern auch für den US-amerikanischen Markt und den Mittleren Osten. Sind die Vorlieben nicht sehr unterschiedlich in diesen Märkten?
Ja, das ist so. Bisher habe ich meine vier Düfte in allen Märkten angeboten, aber wenn ich weiter wachsen kann, werde ich vermehrt differenzieren. In den Golfstaaten gelten andere Regeln als in der Schweiz. Sehr beliebt ist dort beispielsweise der Duftstoff Oud oder Agarwood. Er wird aus dem Harz des Adlerholzbaumes gewonnen, der in den Regenwäldern in Südostasien wächst. Dem Oud-Duftstoff wird eine aphrodisische Wirkung nachgesagt. Auch in Europa stieg die Nachfrage in den letzten Jahren, obwohl da nach wie vor die leichten Düfte dominieren, während im Nahen Osten schwere Düfte auf Ölbasis beliebter sind.

Welches ist Ihr aktuelles Lieblingsparfum?
Derzeit mag ich Bond-T am liebsten. Die Idee für dieses Parfum hatte ich während eines Rundgangs in der Fabrik des bekannten Chocolatiers Paul de Bondt in Pisa. Ich habe den exotischen Schokoladegeruch mit Patchouli, Vanille, Tabak und der asiatischen Duftblüte Osmanthus kombiniert, wodurch ein kräftiger, dunkler Geruch entstanden ist. Ich entwickle neben dem Ausbau des Geschäfts aber laufend neue Duftkombinationen. Das nächste Parfum wird Naias heissen, abgeleitet von den griechischen Nymphen. Die Formel und der Name sind klar, die Produktion und Markteinführung stehen noch aus – ich hoffe, dass ich den Duft im April in Mailand präsentieren kann. Ein sechstes Parfum ist ebenfalls schon in Arbeit.

Ist das nicht ein einsames Geschäft, als Italiener allein in Herisau neue Parfums zu entwickeln?
Ich hegte schon sehr lange den Wunsch, in die Schweiz zu kommen – als Anwalt wäre das schwierig geworden. Für mich als Parfumeur ist es ein idealer Standort, weil die Regulierungen weniger strikt sind als in der EU. Auch privat fühle ich mich hier sehr wohl. Ich mag die Berge und die Kälte lieber als die Hitze und das Meer, und ich bin unglaublich dankbar für die gut funktionierende Demokratie in der Schweiz. In Italien haben wir die Demokratie verloren, da leiden viele unter Misswirtschaft, Machtpolitik und Chaos. Zudem bin ich sehr positiv überrascht, wie offen die Menschen in Herisau und in St. Gallen sind. Ich wurde sehr gut aufgenommen und habe in den drei Jahren sogar ein paar Brocken Appenzeller-Deutsch gelernt.

Und mit der Liebe hat es auch geklappt, seit Sie sich mit Düften auskennen?
Nein, bis jetzt noch nicht, aber es ist sicher kein Nachteil, dass ich mich hauptberuflich damit beschäftigen darf, welche Düfte die Frauen mögen. Viele Tiere orientieren sich bei der Suche nach dem passenden Partner hauptsächlich am Vomeronasal Organ, beim Menschen ist diese Fähigkeit etwas verkümmert, aber körpereigene Duftstoffe spielen auch bei uns eine wichtige Rolle. Mit Parfums kann der Mensch hier etwas nachhelfen und betörende Signale aussenden – für mich ist es sehr aufregend, solche Duftstoffe zu entwickeln.

Wie möchten Sie Ihr Geschäft in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Ich bin sehr zufrieden, dass ich nach drei Jahren gut von meinem Beruf leben kann. Als nächstes möchte ich einen Vollzeit-Mitarbeiter einstellen und in verschiedenen Märkten weiter wachsen. Ein Traum wäre, dereinst für Erbprinzessin Sophie von und zu Liechtenstein einen exklusiven Duft entwickeln zu dürfen.


13. August 2016