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Der Mann, der 70 Milliarden Dollar sammeln will

Wenn in deutschen Städten Geld vom Himmel fällt, hat Joachim Ackva seine Finger im Spiel. Der 50-Jährige will mit dem Geldregen darauf aufmerksam machen, dass noch immer mehrere Hundert Millionen Menschen in Armut leben, während der Wohlstand der Privilegierten neue Rekordwerte erreicht. Ackva ruft uns dazu auf, einen Tausendstel unseres Vermögens auf ein Weltkonto einzuzahlen.

Interview: Mathias Morgenthaler    Foto: zvg


Kontakt und weitere Informationen:
www.planetearthaccount.de oder joachim.ackva@planetearthaccount.de


Geldregen an öffentlichen Plätzen in Deutschland

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Der Geldbeutel öffnet sich über dem Brandenburger Tor

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Im Frankfurter Bankenviertel fallen Euroscheine vom Himmel.

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Die Jagd auf die 5- und 10-Euro-Scheine ist eröffnet.

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Daniela Tiben, Mitinitiatorin des Weltkonto-Projekts und Partnerin von Joachim Ackva.

Herr Ackva, wie sind Sie auf die Idee gekommen, es Geld regnen zu lassen?
JOACHIM◦ ACKVA: Meine Partnerin Daniela◦ Tiben und ich fragten uns, wie wir am besten auf unser Anliegen aufmerksam machen können. Wir entschieden uns dafür, 4000 Euro in kleinen Scheinen in drei Stoffsäcke zu füllen, diese an Heliumballons 30 Meter in die Höhe steigen zu lassen und sie dann mit einer Leine zu öffnen. Wir haben das nun acht Mal gemacht in den letzten 18 Monaten, vor dem Brandenburger Tor in Berlin, im Frankfurter Bankenviertel, in München und Köln. Ich bin jedes Mal wieder neugierig, was passiert. Meistens denken die Leute zuerst, es schütte jemand Werbematerial über ihren Köpfen aus. In der Regel sind es die Kinder, die als erstes realisieren, dass da echtes Geld vom Himmel fällt. Dann zeigt sich der Jagdtrieb der Menschen. Ich spüre den auch und muss mich immer beherrschen, nicht selber ein paar Scheine zu ergattern.

Woher stammt das Geld, das Sie da in Sterntaler-Art unter die Menschen bringen?
Es ist Geld aus meinem Privatvermögen. Ich gehe jeweils zur Bank, hebe 10‘000 Euro in 5- und 10-Euro-Scheinen ab und verteile das auf die Stoffsäcke für die nächsten Geldregen.

Würden Sie das Geld nicht besser zielgerichtet spenden, statt es in Deutschland vom Himmel fallen zu lassen?
Diese Frage höre ich oft. Der Geldregen ist keine erste Hilfe und keine moralische Handlung, sondern eine Aktion, die medienwirksam zeigen soll, dass es heute auf unserem Planeten mehr Geld gibt denn je zuvor. Das globale Privatvermögen beläuft sich auf 293 Billionen Dollar. Gleichzeitig leiden 852 Millionen Menschen unter Hunger. Viele globale Aufgaben sind unterfinanziert. Es stellt sich also die dringliche Frage: Was machen wir mit all dem Wohlstand? Und was könnten wir tun? Unser Vorschlag ist: Richten wir ein Weltkonto ein, auf das Privatpersonen freiwillig einen Tausendstel ihres Vermögens einzahlen. Ein Tausendstel schmerzt niemanden wirklich, in der Summe würde das aber sehr viel bewirken.

Es gibt doch schon unglaublich viele Hilfswerke und Spendenaktionen.
Ja, das ist so, ich habe selber schon viel gespendet und Patenschaften übernommen. Diese zahllosen Einzelaktivitäten greifen jedoch oft nicht ineinander und konkurrenzieren sich teilweise, kämpfen um Spender und Projekte. Allein die Uno registriert 30’000 Organisationen der Zivilgesellschaft, die global mitsprechen wollen. Das ist, als würde man eine Handvoll Sand auf eine Dartscheibe werfen und auf einen Treffer hoffen. Es fehlt an einer Kraft, welche die Anstrengungen effektiv bündeln und sich der globalen Ziele annehmen könnte. Sie muss finanzstark und legitimiert genug sein, um Konzerne und Staaten positiv zu motivieren. Bislang sind die grossen Player auf globaler Ebene die Regierungen, welche naturgemäss nationale Interessen vertreten, und die Konzerne, die dem Profitinteresse folgen. Es braucht eine dritte Kraft, die der globalen Zivilgesellschaft verpflichtet ist. Sie kann die Entwicklung in die richtige Bahn lenken, also hin zu mehr Wohlstand für alle, mehr beschützter Umwelt, mehr Frieden.

Immerhin: Im September diesen Jahres haben die 193 Uno-Mitglieder einstimmig 17 nachhaltige Entwicklungsziele wie etwa die Beendigung von Hunger und Armut verabschiedet. Und vor wenigen Wochen gelang die Einigung auf einen Weltklima-Vertrag.
Es ist erfreulich, wenn auf dem Papier eine Einigung zustande kommt – entscheidend ist aber, was davon auch wirklich umgesetzt wird. Derzeit sieht sich die internationale Gemeinschaft noch nicht einmal in der Lage, genügend Flüchtlingslager in Syrien zu betreiben, weil die Staaten um die Finanzierung streiten. Das World Food Programme als grösste humanitäre Einrichtung der Uno verfügt über einen Etat von vier bis fünf Milliarden US-Dollar. Das ist ein Zehntel des Nachsteuergewinns der Firma Apple. Auch für die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Uno fehlt schlicht das Geld. Deshalb ist es so wichtig, dass die Weltzivilgesellschaft sich engagiert und die Kräfte bündelt. Unser Ziel ist es, das Weltkonto bei der Uno anzusiedeln und das Geld für die Realisierung der Entwicklungsziele einzusetzen. Würden alle einen Tausendstel ihres Vermögens spenden, kämen 293 Milliarden Dollar zusammen.

Das ist kein sehr realistisches Szenario.
Einverstanden, so viel wird es nicht sein. Ich wollte es genauer wissen und gab eine internationale Umfrage in Auftrag. Das Institut befragte Bürger in Deutschland, Grossbritannien, Japan, den USA, Russland und den Niederlanden, ob sie bereit wären, einen Tausendstel ihres Vermögens auf ein Uno-Konto zur Bekämpfung von Armut, Krieg und Umweltzerstörung einzuzahlen. Die Zustimmungsquote in diesen sechs Ländern, die mehr als die Hälfte des Weltvermögens repräsentieren, lag zwischen 13 Prozent in Russland und 56 Prozent in Deutschland, durchschnittlich bei 32 Prozent. Das heisst: Wenn die Befragten zu ihrer Antwort stehen, könnten 70 Milliarden Dollar zusammenkommen. Selbst wenn nur jeder Zehnte von den Befürwortern wirklich spenden würde, läge das Potenzial bei 7 Milliarden Dollar – damit würde das Weltkonto über mehr Mittel verfügen als das derzeit grösste humanitäre Projekt. Im Übrigen ist das Geld nur ein Aspekt. Es geht auch um die Stärkung des Vertrauens, der Solidarität.

Was meinen Sie damit?
Derzeit laufen wir Gefahr, uns aufspalten zu lassen durch historisch unbedeutende Ereignisse. Natürlich sind Attentate wie jenes in Paris schlimm, aber ist es richtig, dass deswegen die destruktiven Kräfte gestärkt, die Bürgerrechte abgebaut und Kriege forciert werden? Wir brauchen dringend einen Gegenentwurf zur Vergeltungs- und Kriegslogik von Staaten und Konzernen, eine konstruktive Kraft, die global organisiert ist und auf Vertrauen und Solidarität basiert. Das würde auch den Terroristen das Leben schwerer machen.

Was hält Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon von Ihrer Idee, unter dem Dach der Uno ein Weltkonto einzurichten?
Ich habe ihm vor ein paar Wochen die Ergebnisse unserer Umfrage gesendet und bis jetzt keine Antwort bekommen. Ich halte das für ein gutes Zeichen, dass es keine Routineabsage gab. Ich weiss nicht, ob ein Weltkonto als starke Stimme der Zivilgesellschaft auf globaler Ebene willkommen ist. Aber im Moment geht es nicht vorrangig um Fragen der Verwaltung und des Mitteleinsatzes, sondern darum, die Idee zu teilen, die Bewegung grösser zu machen, die Kräfte zu bündeln. Wenn sich erst einmal ein namhafter Teil der Weltbevölkerung gemeinsam für etwas einsetzt, kann die Uno das nicht einfach ignorieren. Und es gibt ein Modell, wie das Konto organisiert werden könnte: nach dem Vorbild des Uno-Fonds für nachhaltige Entwicklung, der 2014 von der spanischen Regierung mit einer Einmalzahlung von 46 Millionen US-Dollar finanziert wurde.

Hand aufs Herz: Wie wahrscheinlich ist es, dass Ihr Weltkonto-Projekt realisiert werden kann?
Ich halte die Wahrscheinlichkeit für gering, vielleicht 1:50 oder 1:100. Es kann noch Jahre dauern, bis die Zeit dafür reif ist. Die Perspektiven, die ein solches Projekt eröffnen würde, sind aber so phantastisch, dass mich die geringe Eintrittswahrscheinlichkeit nicht abschreckt. Ich könnte es mir schwer verzeihen, nicht alles versucht zu haben, um es möglich zu machen.

Sie sind hauptberuflich Finanzberater und vermehren das Geld von 180 wohlhabenden Kunden. Sehen Sie darin keinen Widerspruch zum Bestreben, andernorts Hunger und Armut zu bekämpfen? Die Spekulation mit Nahrungsmitteln beispielsweise gilt als ein Treiber der Armut.
Da gebe ich Ihnen recht: Viele Investitionsentscheide der westlichen Elite verstärken Hunger und Armut in anderen Gegenden. Aber soll ich deswegen versuchen, meine Kunden zu erziehen? Dann macht schon morgen ein anderer meine Arbeit. Ich mag auch nicht versuchen, das Finanzsystem zu verändern, das wäre ein Kampf gegen Windmühlen. Wirkungsvoller ist es, eine dritte Kraft aufzubauen, welche Gegensteuer gibt und auf eine bessere Welt hinarbeitet.

Nehmen Sie schon Zahlungen entgegen für das Weltkonto?
Nein, das wäre verfrüht. Derzeit geht es uns darum, dass möglichst viele Menschen sich die Frage stellen, ob sie bereit wären, einen Tausendstel für dieses Projekt zu spenden. Wer diese Bereitschaft gegen aussen signalisieren möchte, kann in seiner Kommunikation ein Gradzeichen hinter seinen Vornamen setzen – das Gradzeichen ◦ symbolisiert den Klimawandel und den Planeten. Es erinnert daran, dass wir unsere Lebensgrundlage nicht zerstören sollten.

Was entgegnen Sie Kritikern, die monieren, das Weltkonto-Projekt sei die verrückte Idee eines Finanzberaters in der Midlife Crisis, der sich gerne im Rampenlicht sonne?
Wer kennt schon seine Motive genau! Es spielt für mich auch keine Rolle, ob der Auslöser eine Midlife Crisis ist oder nicht. Ich sehe einfach eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen globalen Bund der Zivilgesellschaft in gemeinsamen Zielen. Dieses Thema beschäftigt mich seit meiner Jugendzeit. Das Rampenlicht suche ich nicht. Ich lebe und arbeite hier wunderbar abgeschieden im Pfälzer Wald und bin nur punktuell bei unseren Geldregen-Aktionen in den Massenmedien zu sehen. Mit den Geldregen schafften wir es bereits in die bundesweiten Sendungen von ARD und RTL, was dem Projekt einen enormen Schub gab. Mir persönlich ist anders wichtiger, als meinen Kopf im Fernsehen zu sehen. Etwa die Gespräche mit Mitmenschen, die seit meinem Engagement viel persönlicher geworden sind. Oft weiss man ja nur, wie sie aussehen und welche Automarke sie fahren. Nun unterhalten wir uns darüber, wie die Welt verbessert werden kann.


31. Dezember 2015