MILENA, Chanson-Sängerin und Auftritts-Trainerin
«Ich bin überzeugt, dass man Erfolg immer zwei Mal erlebt»
Die Sängerin Milena fühlte sich schon als Kind auf der Bühne zuhause. Ihren Befreiungsschlag erlebte sie aber erst im Alter von 43 Jahren, als sie ihre Teilzeitstelle verlor. Seit sie als Sängerin und Auftrittstrainerin ganz auf eigenen Füssen steht, läuft es der 47-Jährigen besser denn je. In diesen Tagen erfüllt sie sich einen weiteren Traum: Die Aufnahme eines eigenen Albums.
Interview: Mathias Morgenthaler Foto: zvg
Kontakt und weitere Informationen:
www.milena-chanson.ch oder milena@milena-chanson.ch
Milena, Sie stehen seit mehr als 20 Jahren beruflich auf der Bühne. War das immer schon Ihr Traum?
MILENA BENDAKOVA: Als ganz kleines Mädchen wollte ich natürlich Prinzessin werden, als Jugendliche träumte ich davon, Schauspielerin zu sein. Immer, wenn ich mich mit Freudinnen traf, spielten wir Theater, ich stand beim Schultheater, beim Ballet oder beim Jazztanz auf der Bühne. Auf der Bühne fühlte ich mich immer am sichersten, sie war meine Heimat – vielleicht auch deshalb, weil ich sonst nicht so ganz wusste, wo ich hingehörte mit meinen deutsch-tschechischen Wurzeln. Dazu kam, dass ich es – wie jeder, der auf der Bühne steht – genoss, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten, geliebt zu werden.
Was hielten Ihre Eltern von der Idee, Schauspielerin zu werden?
Sie waren nicht so begeistert und ermahnten mich, zuerst etwas Solides zu lernen. So absolvierte ich das Lehrerseminar und arbeitete nebenbei als Model. Ich glaube, ich war eine gute Lehrerin. Aber ich fühlte mich jeden Abend komplett erschöpft und war auch am Tag nicht mit voller Begeisterung am Werk. Der Traum von der Bühne war noch immer lebendig. Das wurde mir bewusst, als ich im Extrachor des Stadttheaters Luzern mitwirken durfte. Ich stand ganz hinten am Rand der Bühne, hatte nur wenige Einsätze und bewunderte ansonsten die Schauspielerinnen und Sängerinnen. Da war ich so glücklich, dass ich kurz darauf am Konservatorium zur Aufnahmeprüfung antrat – und abgelehnt wurde mit der Bemerkung, aus mir werde nie eine gute Sängerin.
Daraufhin gingen Sie nach Mailand und studierten dort Operngesang.
Das waren fünf intensive, prägende Jahre in Italien. Ich lernte eine andere Kultur und Sprache kennen, lernte Autofahren im italienischen Verkehrschaos, verstand, was es heisst, international als Opernsängerin zu arbeiten, wie schön, erfüllend und hart das sein kann. Zurück in Luzern absolvierte ich in nur drei Jahren das Lehrdiplom am Konservatorium und war sehr glücklich darüber, dass aus mir doch eine Opernsängerin geworden war. Ich sattelte dann aber bald auf Chansons um und verfolgte zunehmend eigene Projekte. Ich traute mich lange Zeit nicht, ganz auf die Karte Gesang zu setzen. Während des Studiums in Luzern arbeitete ich als Sprachlehrerin für die Migros, später führte ich die Geschäfte einer Stiftung, danach arbeitete ich in einem Anwaltsbüro in einem Teilzeitjob. Und dann, vor vier Jahren, wurde ich beim Anwaltsbüro rausgeschmissen – ich bin meinen Chefs heute sehr dankbar dafür.
Warum das?
Weil diese Kündigung die Initialzündung war für meine weitere Entwicklung als Künstlerin und Unternehmerin. Zuvor hielt ich es für eine Art Naturgesetz, dass man als Künstlerin einen Brotjob braucht zur Absicherung – alle in meinem Umfeld machten das so. Als ich nach der Kündigung meinen Freunden vorheulte, dass ich jetzt nicht weiter wüsste, sagten sie zu mir: «Milena, du hast schon lange nicht nur einen, sondern zwei Jobs, du bist eine fantastische Chanson-Sängerin und eine wunderbare Auftrittstrainerin.» So wurde dieser Rausschmiss für mich zum Befreiungsschlag. Wo ich vorher blockiert war als Sängerin, blühte ich jetzt auf und entwickelte mich weiter. Wenn ich vorher vereinzelt auf Anfrage Auftrittstrainings gab, entwickelte ich nun ein komplettes Angebot, das rasch sehr gefragt war. Kurz und gut: Ich verdiene heute das Dreifache, arbeite weniger, habe viel mehr Lebensqualität und fühle mich auch am Abend noch frisch und voller Energie.
Das klingt nun fast schon kitschig.
Natürlich gibt es Schwankungen. Das letzte Jahr war finanziell sehr gut, mit gegen 100 Aufführungen meines Programms «La vie en rose» zum 100. Geburtstag von Edith Piaf. 2016 ist in dieser Hinsicht schwieriger, ein Übergangsjahr, ich beschäftige neu meine eigene Band, produziere mein erstes Album und habe erst etwa 20 Konzerte gegeben. Ich bin dankbar, dass meine andere Firma floriert, die Trainings, Workshops und Kurse laufen sehr gut. Überdies vertraue ich darauf, dass genug Geld reinkommt. Manchmal fahre ich das Konto bewusst herunter, um Raum zu schaffen für Neues.
Das braucht Mut.
Heute weiss ich, dass Mut mit Erfolg gekoppelt ist. Je mutiger ich unterwegs bin, desto besser läuft es! Ich bin schon seit 14 Jahren selbständig, aber den grossen Entwicklungsschub gab es erst, als ich vor vier Jahren ohne Absicherung in die Selbständigkeit eintauchte. Als ich zuvor im Anwaltsbüro arbeitete und daneben als Sängerin und Trainerin tätig war, machte ich an keinem dieser Orte wirklich einen guten Job, das hat sich gegenseitig abgebremst. Heute konzentriere ich mich nicht primär auf die finanzielle Absicherung, sondern darauf, Lebendigkeit zu leben und zu verbreiten.
Was meinen Sie damit?
Ich kenne Selbständige, die die Wochen so sehr verplanen, dass vor lauter Pflichten und Terminen kaum mehr Raum bleibt für Spontanes. Mein Lebenselixier sind Lebendigkeit, Schnelligkeit und Herzlichkeit. Ich achte darauf, mir Freiräume zu bewahren. Ein Halbtag pro Woche ist für mich reserviert – da entscheide ich jeweils spontan, was mir gerade gut tut. Auch an den Arbeitstagen lebe ich immer stärker nach dem Lustprinzip. Ich gehe dorthin, wo es mir Spass macht, und genau dort finde ich Aufträge. Zu dieser Haltung gehört auch, Flauten bewusst zu geniessen. Im Februar und Juli ist meistens wenig los. Ich geniesse diese ruhigeren Wochen, baue meine Website um, miste den Keller aus und mache mir eine richtig gute Zeit. Dabei empfange ich sehr viele Impulse und Ideen.
Sie vertrauen darauf, dass die richtigen Dinge auf Sie zukommen?
Ja, ich arbeite viel mit Visualisierung. Ich bin davon überzeugt, dass man Erfolg immer zwei Mal erlebt: das erste Mal in der Vorstellung, das zweite Mal, wenn er eintritt. Ich versetze mich gedanklich oft in Wunschsituationen, male mir aus, mit welchen Menschen ich zusammenkomme, wo ich auftrete, was ich bewirke – je konkreter, desto besser. Und ich mache immer wieder die Erfahrung, dass das wirkt. Kürzlich malte ich mir aus, wie es wäre, mit dem neuen Programm ein Konzert in der voll besetzten Chollerhalle in Zug zu geben. Vor zwei Wochen sprach mich dann nach meinem Konzert im Parkhotel Weggis jemand an und fragte mich, ob ich nicht einmal in Zug spielen möchte. Er sei Präsident der Chollerhalle und würde sich darüber freuen. Seit ich mehr Vertrauen in meinen Weg habe, passiert mir das immer öfter.
Wie wichtig ist es Ihnen heute, Anerkennung zu erhalten und geliebt zu werden?
Die Anerkennung von Aussen ist mir längst nicht mehr so wichtig wie in jungen Jahren. Solange man sich selbst nicht liebt, kann keine Liebe dieser Welt das kompensieren. Ich fühle mich heute mit 47 Jahren sehr wohl in meiner Haut und so schön wie noch nie. Ich möchte mit meiner Arbeit andere ermutigen, lebendig unterwegs zu sein und ihre Visionen umzusetzen. Das kann bedeuten, spontan einen Menschen zu umarmen, barfuss über eine Wiese zu hüpfen oder sich Träume zu erfüllen. In meinem Fall war das zum Beispiel der Traum vom eigenen Album, der sich dank Crowdfunding bei Wemakeit hat realisieren lassen. In den nächsten Tagen werden wir die Chansons für «Chocolat Rouge» nun in den Powerplay Studios in Maur einspielen.
6. August 2016