Viktor Meier, der etwas andere Eisverkäufer
«Wer seinen Traum lebt, braucht keinen Luxus»
Die letzten zwei Jahre bezog Viktor Meier keinen Rappen Lohn, auf Geschäftsreisen stieg der Jungunternehmer in Jugendherbergen ab. Dennoch trauert der 35-jährige MBA-Absolvent seinem gut bezahlten Konzernjob kein bisschen nach. Die neue Aufgabe, Kunststoff-Eisfelder in die ganze Welt zu exportieren und neue Kunsteis-Produkte zu erfinden, wurde rasch zu seiner Passion.
Interview: Mathias Morgenthaler Foto: ZVG
Kontakt und weitere Informationen:
www.glicerink.com oder viktor.meier@glicerink.com
Einweihung der Glice-Eisbahn in Chicuero, einem Vorort von Santiago de Chile.
Herr Meier, Sie produzieren Eisbahnen aus Kunststoff und verkaufen diese in die ganze Welt. Wie kamen Sie auf diese ausgefallene Idee?
VIKTOR MEIER: Die Idee hatte mein Geschäftspartner Toni Vera. Er wollte unbedingt Eishockeyprofi werden, was in Spanien nicht gerade alltäglich ist. Auf Druck seines Vaters studierte er Ingenieurswissenschaften, spielte aber nebenbei als Halbprofi Hockey. Nach einem Zweitstudium in Sportwissenschaften arbeitete im spanischen Eishockey-Verband und begann, mit Eisfeldern aus Kunststoff zu experimentieren.
Wie wurden Sie auf ihn aufmerksam?
Ich sah einen TV-Beitrag auf BBC über ihn und war sofort elektrisiert. Über Google fand ich seine Nummer und rief ihn schon am nächsten Tag an. Wir trafen uns einige Male in Spanien und in der Schweiz, dann entschlossen wir uns, dieses Projekt gemeinsam zum Fliegen zu bringen.
Sie hatten doch einen guten Job in einem Schweizer Konzern. Zögerten Sie nicht, den aufzugeben?
Sagen wir es so: Ich bezog einen sehr guten Lohn, aber es war nie mein Traum, Tag für Tag an einem Pult unter einer Neonröhre im Grossraumbüro zu sitzen und am Abend nicht recht zu wissen, ob ich wirklich etwas bewegt hatte. Der Einzelne hat in solchen Organisationen wenig Spielraum, es ist strikt vorgegeben, was und wie man zu arbeiten hat. Zudem geht viel Energie verloren für Selbstdarstellung und Machtspiele. Als ich mit 32 Jahren Details von meiner Pensionskasse erfuhr, wurde ich unruhig. Ich wollte doch nicht schon auf diese breite Strasse in Richtung Rente einbiegen. Immerhin war ich schon als 10-Jähriger unter die Unternehmer gegangen.
Wie das?
Ich wollte damals unbedingt Tierfilmer werden, hatte aber als 10-Jähriger keine 800 Franken, um mir eine Kamera zu kaufen. Also bemalte ich Postkarten und verkaufte diese auf der Strasse. Um rascher voranzukommen, spannte ich Nachbarskinder ein und bezahlte ihnen Kommission. So kamen innert einer Woche über 800 Franken zusammen.
Später hätten Sie aber beinahe eine Diplomatenlaufbahn eingeschlagen.
Ja, ich studierte internationale Beziehungen in Genf, merkte aber rasch, dass ich nicht geschaffen war für den formellen Umgang der Diplomatie. Noch während des Studiums baute ich in der Westschweiz eine Marketingfirma auf, dann reiste ich 1,5 Jahre als Backpacker um die Welt, absolvierte in den USA eine MBA-Ausbildung und arbeitete in einen Startup. Zurück in der Schweiz, liess ich mich vom Sicherheitsdenken meines Umfelds anstecken und trat diese Konzernstelle an. Ich war überglücklich, dass ich nach acht Monaten einen guten Grund hatte, dort auszusteigen: energiesparende Eisbahnen zu produzieren und verkaufen, wurde sofort zu meiner Passion.
Zwei Jahre nach der Firmengründung haben Sie schon 52 Eisbahnen in 30 Länder verkauft. Wie wurden Sie so schnell erfolgreich?
Erstens profitierten wir von der langen, sorgfältigen Entwicklungsarbeit meines Geschäftspartners. Das Produkt ist qualitativ hochwertig – auch Eishockeyspieler oder Eiskunstläuferinnen, die der Sache skeptisch begegneten, waren nach wenigen Minuten auf unserem synthetischen Eis begeistert. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass wir mit lokalen Partnern arbeiten und immer Gesamtpakete anbieten. Wenn ein Kunde aus Saudiarabien eine Glice-Eisbahn bestellt, dann braucht der auch Schlittschuhe, Schleifmaschinen und Schulung. Wir standen von Anfang an in sehr engem Kontakt mit den lokalen Partnern, denen wir die Hälfte des Verkaufsgewinns überlassen, und den Kunden. So konnten wir unser Produkt rasch verbessern.
Sie verkaufen nicht nur nach Deutschland oder Frankreich, sondern auch nach China, Südamerika und in die USA. Wie finden Sie Ihre Kunden?
Inzwischen finden die Kunden uns. Derzeit erhalten wir jeden Tag fünf Anfragen aus aller Welt – das ist dank der Investition in unseren Internetauftritt schon fast ein Selbstläufer geworden. Im ersten Jahr habe ich persönlich über 30 Länder bereist und bin mit vielen jungen Unternehmern weltweit zusammengesessen.
Wer sind diese lokalen Partner?
Oft kleine Unternehmen, die Erfahrung haben in der Installation von Tennisplätzen oder anderen Sport- und Freizeitanlagen. Unsere Erfahrung nach zwei Jahren zeigt: Ein guter, motivierter Partner in einem schlechten Markt bewegt mehr als ein mittelmässiger Partner in einem guten Markt. Frankreich zum Beispiel hat keine ausgeprägte Eisbahn-Kultur. Dank einem sehr engagierten 64-jährigen Partner haben wir in Frankreich aber bereits 10 Bahnen an Gemeinden verkauft. In Australien will sich ein ehemaliger NHL-Profi, der wegen der Liebe ausgewandert ist, fürs Eishockey und unsere Bahnen ins Zeug legen. In Deutschland dagegen, der grössten Volkswirtschaft Europas mit ausgeprägter Eislauftradition, haben wir derzeit noch Mühe.
Wie hoch war der Kapitalbedarf beim Firmenaufbau?
Wir steckten beide unser Erspartes in die Firma und konnten Geld bei Freunden aufnehmen, insgesamt gut 100'000 Franken. Wir machten praktisch alles selber und bezahlten uns die ersten zwei Jahre keinen einzigen Rappen Lohn – so kamen wir gut über die Runden. Kapitalintensiv ist primär die Vorproduktion. Kunden bestellen zum Teil kurzfristig, wollen Ende November eine Eisbahn ordern für Weihnachten. Weil unsere Produktionszeit fünf bis sechs Wochen beträgt, brauchen wir ein Lager. Das kostet Geld.
Den Konzernlohn haben Sie in dieser Zeit nie vermisst?
Nein, überhaupt nicht. Auf meinen Geschäftsreisen habe ich oft in Jugendherbergen übernachtet, um ein, zwei Destinationen mehr besuchen zu können. Ich wäre nicht glücklicher gewesen in einem Luxushotel. Wer seinen Traum lebt, braucht keinen Luxus.
Wann wussten Sie, dass es funktioniert, dass die Firma gedeihen wird?
Beim Verkauf der ersten Eisbahnen kamen wir den Kunden beim Preis entgegen, um gute Referenzprojekte zu bekommen. Als dann das grösste Casino der Welt, das Venetian in Macau, China, unser Produkt einkaufte, brachte uns das in eine neue Liga. Und so entsteht dann eine Eigendynamik. Einer unserer besten Botschafter ist heute Cliff Ronning. Der frühere NHL-Star ist eine lebende Legende in Nordamerika und betreibt dort zwölf Eishockeyschulen. Er hat all seine Eisfelder nun mit Glice-Technologie ausgestattet, was uns einen enormen Schub gab.
Sie verkaufen aber auch in Regionen, die bisher nichts mit Eishockey am Hut hatten?
Ja, wir erschliessen uns neue Märkte in Zonen, die aus klimatischen Gründen keine Eisbahnen betrieben bis jetzt. Und wir erweitern unsere Palette nun. Aus Hongkong erhielten wir eine Anfrage, ob es möglich sei, eine Eisbahn herzustellen, die sich innert 30 Minuten in einen Fussballrasen mit Toren umfunktionieren lässt. Wir arbeiten fieberhaft daran.
Was kostet ein gewöhnliches Glice-Eisfeld?
Eine 200-Quadratmeter-Bahn kostet rund 70'000 Franken – mit allem drum und dran, sprich 100 Paar Schlittschuhe, Schleif- und Reinigungsmaschine etc. Die Lebenszeit beträgt 15 bis 20 Jahre, ausser der Reinigung fallen kaum Unterhaltskosten an.
Wenn das Geschäft quasi von selber läuft, können Sie sich in den nächsten Jahren darauf beschränken, den Umsatz kräftig zu erhöhen.
Eine solche Einstellung wäre der Anfang vom Ende. Zudem fänden wir es langweilig, nur noch zu verkaufen und das Volumen zu steigern. Wir sind beides Tüftler. Also diskutieren wir dauernd über neue Produkte. Gerade haben wir mit einem Kunden in Rom und einem französischen Kunden Vorverträge abgeschlossen für so genannte Glice-Parks. Das sind Indoor-Pärke, in denen man schlitteln, im künstlichen Eis klettern und Curling spielen kann. Solche Indoor-Freizeitpärke haben auch in Südamerika und anderen Märkten grosses Potenzial. Sie bringen quasi den Schnee in neue Gegenden.
25. Januar 2014